Michael Haller: Zwischen „Flüchtlingskrise“ und „Migrationspakt“

Bereits 2017 stellte Prof. Michael Haller die Diagnose: Über die „Flüchtlingskrise“ haben deutsche Medien nicht ausgewogen berichtet und aufgeklärt – und so ihre Berufsrolle verkannt.
Nun geht Haller der Frage nach, wie tagesaktuelle Informationsmedien im Herbst 2018 über den „UN-Migrationspakt“ berichtet haben und ob sich relevante Unterschiede oder positive Entwicklungen nach der Berichterstattung über die „Flüchtlingskrise 2015/16“ zeigen lassen.

Die viel zitierte Rolle des Journalismus als „Vierte Gewalt“ umfasst nicht nur die Kontrolle der Machthabenden. Auch Medien müssen ihre eigene Arbeit kritisch reflektieren und Fehler eingestehen, wenn sie welche machen.

Lernprozesse spielen auch im zweiten Teil des neuen OBS-Arbeitspapieres eine zentrale Rolle. Die Veröffentlichung der Studie „Die Flüchtlingskrise in den Medien“ im Sommer 2017 hat nicht nur zu einer kontroversen Rezeption in der medialen Öffentlichkeit geführt, sondern war auch Anlass für verschiedene Lokal- und Regionalredaktionen, mit dem Studienautor ins Gespräch zu kommen. Dabei ging es immer wieder um die Frage, ob und wie die ermittelten Dysfunktionen in der konkreten redaktionellen Arbeit identifiziert und eventuell überwunden werden könnten. Auch hier sind Hallers Eindrücke gemischt: In vielen Redaktionen werde das Problem der Elitenabhängigkeit und der Bürgerferne erkannt, doch fehlten vielerorts die personellen Gegebenheiten, um nachhaltige Lernprozesse anzuschieben bzw. in Gang zu halten.

„Die Redaktionen der von uns besuchten Lokalzeitungen kennen das strukturelle Problem der Bürgerferne sehr wohl. Sie verweisen darauf, dass viele Seiten des Lokalteils mittels relativ starrer Produktionsroutinen gefüllt werden“, sagt Haller. Vor allem rechercheintensive Problemthemen würden viel zu selten aufgegriffen. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die 2017 konstatierte Sinn- und Strukturkrise der Mainstreammedien erkannt, aber keineswegs überwunden ist“, urteilt Michael Haller: „Die von den Journalisten beschriebene Wirklichkeit ist noch immer entfernt von der Lebenswelt eines wichtigen Teils ihres Publikums“.
Über die Internetseite der Otto Brenner Stiftung kann der Forschungsbericht – sowie weitere OBS-Arbeitshefte – als PDF-Dateien kostenlos heruntergeladen werden.

Michael Haller: Zwischen „Flüchtlingskrise“ und „Migrationspakt“. Mediale Lernprozesse auf dem Prüfstand, herausgegeben von der Otto Brenner Stiftung. Frankfurt a. M. 2019, 68 S., OBS-Arbeitspapier 37.