70 Jahre Artikel 5 im Grundgesetz sind keine Garantie für tatsächliche Pressefreiheit. Welche Herausforderungen, Einschränkungen und Chancen das verfassungsmäßige Fundament der Meinungsfreiheit mit sich bringt, wurde an unserer Konferenz „Freiheit des Wortes – Freiheit der Gesellschaft?“ am 25. Juni 2019 in Leipzig heftig diskutiert.
Teilnehmer und Referenten bewahrten dabei einen kühlen Kopf: Präzise Analysen höchstrichterlicher Entscheidungen, kritische Gedanken zur politischen Beeinflussung des öffentlichen Rundfunks und weitsichtige Blicke auf die Effekte der Internet-Kommunikation prägten den Austausch.
Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern, lautet die Losung des Artikel 5 des deutschen Grundgesetzes, die den Konferenztag rahmen sollte. Nach der Begrüßung machte Michael Haller, wissenschaftlicher Direktor der EIJK, in seiner Einführung ins Thema deutlich, dass der investigative Journalismus auf Informationsrechte und auf Quellenschutz angewiesen ist. Der erste Hauptredner, Udo Branahl aus Dortmund, blickte auf die ersten zwei Jahrzehnte der Bundesrepublik zurück und interpretierte die wegweisenden Entscheidungen der Bundesverfassungsrichter, die den Journalisten auch die Aufgabe, Kritik und Kontrolle zu üben, zuwiesen.
Christoph Degenhart lenkte anschließend den Blick auf den Geltungsraum des Artikel 5, diskutierte die von den Gerichten getroffenen Abwägungen zwischen den kollidierenden Rechtsnormen und zeigte auf, dass die „gelebte“ Pressefreiheit auch stark vom aktuellen Meinungsklima in der Gesellschaft abhänge.
Nach der Mittagspause saßen sich auf dem von Lutz Kinkel moderierten Panel Jana Hahn (Chefredakteurin MDR), Heiko Hilker (Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung) und Sergej Lochthofen (ehem. Chefredakteur der Thüringer Allgemeinen) gegenüber. Debattiert wurde über die Rolle der Journalisten am Ende der DDR und die Politisierung des öffentlichen Rundfunks nach der Wende. Wie sich die Unabhängigkeit des öffentlichen Rundfunks und die Begrenzung der Einflussnahme durch die Politik gestalten ließe, wurde auch mit dem Publikum kontrovers diskutiert.
Heiko Hilker: „Es findet keine redaktionelle, sondern eine sturkturelle Zensur statt – es müssen mehr Ressourcen her!“ Darauf Sergej Lochthofen: „Ich bezweifle, dass wir mehr gute, aufmerksamkeitgenerierende Themen bekommen, wenn wir einfach nur mehr produzieren.“ #70JahreGG pic.twitter.com/ep18Beh9TP
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Im dritten Schwerpunkt widmete sich Jörg Ukrow der Frage, wie Vielfalt in der digitalisierten Medienlandschaft gesichert und gestaltet werden könne – insbesondere im Hinblick auf die recht unübersichtlichen EU-Rechtsnormen zur Regulierung der Social Media. Manfred Redelfs führte die Konferenzteilnehmer im letzten Vortrag des Tages zu konkreten Problempunkten der Informationsbeschaffung und zeigte den Trend, dass aus den Informationsfreiheitsgesetzen mehr und mehr ein „Jedermannsrecht“ werde.
„Informationsfreiheitsgesetze wurden nicht eingeführt, weil es einen allgemeinen demokratischen Wunsch gab, sondern Druck von außen. Viele Landesgesetze sind handwerklich aber schlecht gemacht, so werden Auskunftsrechte praktisch eingeschränkt“, sagt Manfred Redelfs. #70JahreGG pic.twitter.com/TM2l5zeP6p
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Sandra Kostner fasste aus sozialwissenschaftlicher Sicht die Hauptpunkte der Konferenz zusammen. Ihr Kernsatz hob hervor, dass Pressefreiheit auch (oder auch vor allem) in Deutschland keine Selbstverständlichkeit, sondern ein immer neu zu sicherndes und zu verteidigendes demokratisches Gut bedeutet.