Der Begriff der „Informationskompetenz“ wird von Medienwissenschaftlern, Praktikern und Journalisten unterschiedlich interpretiert. Hier eine Annäherung an den aktuellen Stand in der medienwissenschaftlichen Debatte.
Angesichts der ungeheuren Informationsflut, die über digitale Medien verbreitet wird, kann im Alltagszusammenhang nicht mehr von einem idealtypischen Informationsprozess nach dem überkommenen Modell: Sender-Empfänger ausgegangen werden. Im Vordergrund steht weniger die Suche als vielmehr die Auswahl und Bewertung von Informationen.
Unter der medienwissenschaftlichen Perspektive wird Informationskompetenz indessen als Schrittfolge zur Wissensaneignung verstanden, die mit der Suche beginnt (Deutscher Bibliotheksverband 2016; Klingenberg 2016:35). Diese setzt sich aus vier aufeinander bezogenen Teilkompetenzen zusammen: Suchen, Prüfen, Wissen, Darstellen und Weitergeben. Diese Sicht entspricht wohl am ehesten derjenigen des Dokumentars und des Data-Rechercheurs, kaum aber jener des Users, der mit sogenannten Push-Nachrichten drangsaliert wird.
In einem anderen Konzept wird Informationskompetenz als Handlungsmodell definiert. Zu ihr gehören die Fähigkeit und Bereitschaft von Schülern, sachgerecht und selbstbestimmt sowie kreativ und sozialverantwortlich zunächst einen Informationsbedarf zu erkennen (Balceris 2011). Daraufhin sollten Informationsquellen ausgewählt, auf deren Informationen zugegriffen, diese beurteilt sowie genutzt werden. Schließlich seien der Informationsprozess und die Informationsergebnisse zu reflektieren (2011:172). Diese Definition deckt sich im Übrigen zu großen Teilen mit der Gatepeekerfunktion (Auswählen und Verdichten) des Newsjournalisten. Sie gilt auch für die Orientierungswünsche des Rezipienten, dessen Kompetenz vor allem Quellenkenntnis und Quellenauswahl betrifft.
Ein Zusammenhang zwischen Medien- und Informationskompetenz machen auch Kompetenzmodelle deutlich, die den Akteur mit seinen Motiven noch stärker einbeziehen. So wird Informationskompetenz nach Gapski & Gräßer (2007) als bedeutsame Fähigkeit für den erfolgreichen Umgang mit Anwendungen des Web 2.0 verstanden. Dabei gehe es „nicht nur (um) das Bewerten, Auffinden und effektive Nutzen von Informationen“, sondern auch um „die gelebte informationelle Selbstbestimmung im Sinne einer Sorge um die Herausgabe und Verwendung von Informationen über die eigene oder fremde Person(en)“ (2007:30).
Daraus werden spezifische Kompetenzanforderungen in der Informationsarbeit sowie für Informationsorte, Informationszugänge und Informationsstrategien abgeleitet (ebd.). Deutlich wird dies auch bei Herzig & Martin (2017): Um in verschiedenen Nutzungsfeldern (wie: Lernen, Erkenntnisgewinnung und Problembearbeitung) medienkompetent handeln zu können, seien spezifische Kenntnisse sowie Analyse- und Urteilsfähigkeit erforderlich, und zwar in Bezug auf a.) Gestaltungsmerkmale der Medien, b.) Medieneinflüsse auf Individuum und Gesellschaft sowie c.) Bedingungen der Medienproduktion und -verbreitung (2017:130f.). Es handelt sich dabei um Kompetenzanforderungen, wie sie in der akademischen Bildungswelt zweckdienlich sind.
Im Blick auf die Berufsschüler und deren Erwerb von Informationskompetenz sind diese von den Medienwissenschaften entwickelten Modelle zu sehr auf kognitive Wissensvermittlung und Lernerfolge ausgerichtet und insofern für lebenspraktische Anforderungen zu umfassend und zu abstrakt. Deshalb wird das EIJK-Projekt „Fit for News“ ein Konzept entwickeln, das den Mediennutzungsalltag der Berufsschüler zum Ausgangspunkt nimmt und die mit der Informationskompetenz verbundenen Fertigkeiten direkt auf den Umgang und das Verständnis von Informationen (Newsangebote, v. a. Apps, Plattformen, Feeds) bezieht.
Julia Nickel/Martin Hoffmann/Michael Haller
Berücksichtigte Literatur
Balceris, M. (2011). Medien- und Informationskompetenz: Modellierung und Messung von Medienkompetenz bei Schülern. Dissertation. Universität Paderborn. Online verfügbar unter: https://d-nb.info/1036510948/34. Zugegriffen: 25.06.2018.
Deutscher Bibliotheksverband (2016). Referenzrahmen Informationskompetenz. https://www.bibliotheksverband.de/fileadmin/user_upload/Kommissionen/Kom_Infokompetenz/2016_11_neu_Referenzrahmen-Informationskompetenz_endg__2__Kbg.pdf. Zugegriffen: 25.06.2018.
Gapski, H. & Gräßer, L. (2007). Medienkompetenz im Web 2.0 – Lebensqualität als Zielperspektive. In L. Gräßer & M. Pohlschmidt (Hrsg.), Praxis Web 2.0: Potenziale für die Entwicklung von Medienkompetenz (S. 11-34). Düsseldorf: kopaed.
Herzig, B. & Martin, A. (2017). Erfassung und Messbarkeit von Medienkompetenz als wichtige Voraussetzung für politische Bildung. In H. Gapski, M. Oberle & W. Staufer (Hrsg.), Medienkompetenz: Herausforderung für Politik, politische Bildung und Medienbildung (S. 126-135). Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
Klingenberg, A. (2016). Referenzrahmen Informationskompetenz für alle Bildungsebenen. In W. Sühl-Strohmenger (Hrsg.), Handbuch Informationskompetenz (2. Aufl., S. 30-41). Berlin: De Gruyter Saur.